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Die ersten Schritte auf dem Weg zur Selmo Maschine

Retrofit

Was ist ein Retrofit? 

Ein Retrofit bedeutet die Modernisierung und Verbesserung bestehender Anlagen durch den Einsatz neuer Technologien, ohne dass die gesamte Anlage ersetzt werden muss. Viele Produktionsanlagen sind zwar noch funktionsfähig, entsprechen jedoch nicht den heutigen technischen und ökologischen Standards.

Warum ist das wichtig?

Viele Fabriken wurden vor Jahrzehnten gebaut – lange bevor die rasante Digitalisierung absehbar war. Diese alten Anlagen, oft als "Brownfield" bezeichnet, sind bereits seit Jahren in Betrieb und unterscheiden sich von modernen "Greenfield"-Neuanlagen. Mit einem Retrofit können Unternehmen ihre bestehenden Anlagen an neue Anforderungen anpassen und gleichzeitig Kosten und Ressourcen sparen, die bei einer kompletten Neuanschaffung anfallen würden.

Vorteile eines Retrofits

Ein Retrofit bietet zahlreiche Vorteile im Vergleich zur Errichtung einer komplett neuen Anlage:

  • Kosteneinsparung: Bis zu 62 % der Unternehmen entscheiden sich für ein Retrofit aufgrund der geringeren Investitionskosten.
  • Platzersparnis: Bestehende Flächen werden optimal genutzt, ohne zusätzlichen Raum für eine Neuanlage zu benötigen.
  • Weniger bürokratische Hürden: Da viele Bestandssysteme bereits zertifiziert sind, entfallen viele regulatorische Anforderungen.
  • Gezielte Prozessoptimierung: Bestehende Abläufe werden verbessert, ohne dass neue, ungetestete Prozesse entwickelt werden müssen.
  • Nachhaltigkeit: Bestehende Anlagen weiterzuverwenden, spart Ressourcen und reduziert den ökologischen Fußabdruck erheblich.

Welche Bereiche können modernisiert werden?

Ein Retrofit umfasst meist drei Kernbereiche:

  • Mechanik: Austausch oder Optimierung von beweglichen Teilen wie Fördertechnik oder Robotersystemen.
  • Elektrik: Modernisierung von Steuerungssystemen, Sensoren und Sicherheitstechnik.
  • Software: Aktualisierung oder Integration neuer Steuerungssoftware zur besseren Vernetzung und Effizienzsteigerung.

Die OT-Strategie: Erfolgreiches Pre-Engineering beim Retrofit

Damit ein Retrofit reibungslos funktioniert, setzen wir auf eine strukturierte OT-Strategie (Operational Technology). Diese Strategie stellt sicher, dass bestehende Systeme optimal analysiert und weiterentwickelt werden.

Die OT-Strategie umfasst drei zentrale Schritte:

Prozessanalyse

  • Welche Abläufe sind vorhanden?
  • Wo gibt es Schwachstellen, unüberwachte Bereiche oder ineffiziente Prozesse?
  • Welche neuen Anforderungen gibt es, z. B. bessere Sensorik oder Steuerungslogik?

    Technologieanalyse
  • Welche bestehenden Technologien können genutzt werden?
  • Welche Komponenten müssen ergänzt oder modernisiert werden?
  • Wie lassen sich neue Elemente nahtlos in die bestehende Infrastruktur integrieren?

    Funktionsanalyse
  • Welche Steuerungsfunktionen sind vorhanden, welche fehlen?
  • Wie können einfache und komplexe Steuerungselemente optimal angesteuert werden?
  • Welche Anpassungen sind notwendig, um eine reibungslose Kommunikation zwischen alter und neuer Technik zu gewährleisten?

Neuanlage

Was ist eine Neuanlage?

Eine Neuanlage, auch bekannt als "Greenfield-Projekt", bedeutet, dass eine völlig neue Produktionsanlage oder ein neuer Prozess entwickelt wird. Zu Beginn gibt es nur eine Idee – sei es, einen manuellen Prozess zu automatisieren oder eine bestehende Produktionsweise mit neuen Technologien zu verbessern. Da noch keine bestehende Hardware oder Software berücksichtigt werden muss, haben Unternehmen die Freiheit, ihre optimale Lösung zu gestalten.

Der aktuelle Engineering-Prozess für Neuanlagen

Traditionell basiert die Entwicklung neuer Anlagen auf einer festen Reihenfolge, erst wird die Mechanik geplant, dann folgt die Elektrik, und erst zum Schluss wird die Software entwickelt. Das bedeutet, dass oft ältere, bewährte Systeme bevorzugt werden, selbst wenn es bereits modernere Alternativen gibt. Dadurch entstehen bereits bei der Planung potenzielle Einschränkungen, die sich später in der Umsetzung bemerkbar machen.

Der Prozess lässt sich in vier Phasen unterteilen:

1. Pre-Engineering:

In dieser Phase werden alle Anforderungen für die neue Anlage gesammelt und dokumentiert. Dazu gehören mechanische und elektrische Komponenten sowie grundlegende Softwareanforderungen. In der Praxis zeigt sich jedoch oft, dass diese Dokumentation unvollständig oder ungenau ist. Das führt zu Missverständnissen, Fehlplanungen und Problemen bei der Auswahl der richtigen Technologie. Eine unzureichende Planung kann sich durch den gesamten weiteren Prozess ziehen und später hohe Kosten verursachen.

2. Umsetzung:

Der Bau der Anlage startet mit der mechanischen Konstruktion. Erst nach Abschluss dieser Phase erfolgt die elektrische Planung, gefolgt von der Entwicklung der Software. Diese sequenzielle Vorgehensweise kann jedoch zu Herausforderungen führen. Wichtige Aspekte wie Sensorik und Softwareanforderungen werden oft nicht frühzeitig genug berücksichtigt.

Wenn beispielsweise zu wenige Sensoren eingeplant werden oder die Mechanik veraltete Technologien nutzt, ist die Softwareentwicklung später eingeschränkt. Das kann dazu führen, dass die Software aufwendig angepasst werden muss, um die bestehenden Hardware-Limitierungen auszugleichen. Dies erschwert den gesamten Entwicklungsprozess und führt oft zu ineffizienten Lösungen.

3. Ergebnis:

Nach der Konstruktion folgt die Testphase, die Software wird mit der mechanischen und elektrischen Struktur verbunden und in der realen Umgebung getestet. Dabei treten oft Fehler auf, die aus unklaren Anforderungen oder suboptimalen Entscheidungen in den vorherigen Phasen resultieren. Da die Hardware zu diesem Zeitpunkt bereits festgelegt ist, muss die Software viele Fehler ausgleichen – ein zeitaufwendiger und kostspieliger Prozess.

Jede Änderung erfordert erneute Testläufe, was zu Verzögerungen und steigenden Kosten führt. Wenn die Inbetriebnahme nicht reibungslos verläuft, können ungeplante Stillstandszeiten entstehen, welche sich negativ auf die gesamte Produktion auswirken.

4. Wirkung:

Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme liegt die Verantwortung für den laufenden Betrieb und die Wartung bei den Produktions- und Instandhaltungsteams. Kommt es zu Problemen, liegt die Ursache oft in unzureichenden Anforderungen aus der Planungsphase oder in fehlerhaften Designentscheidungen während der Umsetzung.

Ein häufiges Problem ist eine unzureichende Sensorik oder eine fehlerhafte Softwareanpassung, wodurch Fehler schwer zu identifizieren sind. Das kann zu längeren Stillstandzeiten und ineffizienten Produktionsabläufen führen. Eine schlechte Planung zu Beginn bedeutet also langfristige Herausforderungen und höhere Betriebskosten.

OT-Strategie bei Neuanlagen

Die Selmo OT-Strategie revolutioniert diesen Prozess, indem sie den Fokus auf die Software legt und von Anfang an ein verhaltensorientiertes Engineering nutzt. Der gesamte Automatisierungsprozess wird in drei klaren Schritten definiert:

Prozessanalyse:

Anstatt sich zuerst auf die Hardware zu konzentrieren, beginnt die Planung mit der Frage:

Wie soll der Prozess aussehen? 

  • Der gesamte Ablauf wird modelliert und genau definiert.
  • Alle Anforderungen an Materialfluss, Sensorik und Steuerungslogik werden festgelegt.
  • Fehlerquellen durch unzureichende Prozessüberwachung werden vermieden.

    Technologieanalyse:

Nachdem der Prozess klar definiert ist, wird geprüft, welche Technologien zur Umsetzung notwendig sind.

  • Welche Sensoren und Aktoren sind erforderlich, um den Prozess effizient zu steuern?
  • Welche Steuerungssysteme und Schnittstellen sind für eine moderne Automatisierung geeignet?
  • Wie kann Skalierbarkeit und Zukunftssicherheit gewährleistet werden?

    Funktionsanalyse:

Im letzten Schritt wird festgelegt, welche Funktionen die Software benötigt.

  • Standardisierte Steuerungsfunktionen werden genutzt, um Effizienz und Stabilität zu gewährleisten.
  • Spezielle Prozessanforderungen wie adaptive Regelungen oder vorausschauende Wartung werden integriert.
  • Die gesamte Automatisierung wird in einer digitalen Umgebung getestet, bevor sie in die reale Anlage umgesetzt wird.